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© Tegel Projekt GmbH

10. Mai 2019

„In Tegel kann Berlin die Stadt der Zukunft entwickeln“

Professor Albayrak, mit künstlicher Intelligenz beschäftigen Sie sich in Berlin seit über 30 Jahren. Warum erlebt die KI aktuell einen solchen Boom?

Wir erleben gerade, dass alles digitalisiert wird. Angefangen von Heizungen über Autos bis zu Industrieanlagen. In immer mehr physikalischen Gütern stecken Sensoren, die eine Unmenge an Daten liefern. Gleichzeitig verfügen wir heute über Minicomputer mit leistungsfähigen Prozessoren. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben: Ein Prozessor in einem aktuellen Laptop hat eine 7000-mal so große Rechenleistung wie die Supercomputer aus den 80er-Jahren, als die KI ihren ersten Hype erlebte. Selbstlernende Systeme kann man heutzutage schon mit einem Minicomputer wie dem Raspberry Pi entwickeln. Der Clou liegt darin Methoden zu entwickeln, um die vielen Daten aus den Sensoren zu sammeln, intelligent miteinander zu verknüpfen und Wissen zu extrahieren. So erhält man Systeme, die sich intelligent verhalten können und menschlichem Verhalten nahekommen.

Intelligente Systeme sind auch für autonomes Fahren nötig. Wie sieht das Auto der Zukunft aus?

Die teilautonomen Autos, die gerade entwickelt werden, können uns ja schon bei einigen Aufgaben unterstützen – nehmen Sie das automatische Einparken. Bis zum vollautonomen Fahren wird es aber denke ich noch zehn Jahre dauern. Autos werden dann keine Lenkräder mehr haben und verschiedene Rollen einnehmen können. Auf der Fahrt ins Büro werde ich morgens schon darin arbeiten und mich abends unterhalten lassen. Ich glaube, wir werden das Auto der Zukunft als eine Art leistungsfähigeres Smartphone wahrnehmen.

Was ist noch nötig, damit autonome Fahrzeuge jederzeit zuverlässig durch die Straßen navigieren?

Am DAI-Labor für verteilte künstliche Intelligenz haben wir als erste die These aufgestellt: Es ist gut, wenn ein Auto intelligent ist. Besser ist es aber, wenn auch die Umgebung intelligent ist! Die Straße des 17. Juni haben wir nach diesem Prinzip schon zu einer Teststrecke für autonomes Fahren gemacht. Die Idee ist, Straßen mit Sensoren auszustatten, die mehr wahrnehmen als die Autos selbst. Heute erkennen teilautonome Autos lediglich, was sich auf den nächsten 50 Metern abspielt und das auch nur, wenn nicht ein Laster vor oder neben ihnen fährt. Wenn wir aber auch die Straßen intelligent machen, wissen Autos über die nächsten 800 Meter oder sogar 1,5 Kilometer vor ihnen Bescheid. Hierzu benötigen wir intelligente Fahrzeuge, die mit der intelligenten Straße und der intelligenten Cloud vernetzt sind.

Wie sieht solch eine intelligente Straße aus?

Sie besteht aus der Kombination unterschiedlicher Sensoren. Wettersensoren erkennen, ob es regnet oder die Fahrbahn glatt ist. Kameras erfassen datenschutzkonform, wie stark der Verkehr ist und Wärmebildkameras detektieren Objekte und registrieren, ob sich Fußgänger oder Radfahrer zwischen die Autos drängeln. Parkplatzsensoren melden frei gewordene Parkplätze. Wenn man alle Daten aggregiert, hat man ein sehr zuverlässiges Abbild der Umgebung, welches alles Informationen breithält, die es autonomen Autos ermöglichen, auch in schwierigen Situationen sicher zu fahren.

„In der Urban Tech Republic können wir das autonome Fahren auf die Straße bringen.“

Welche Erkenntnisse lassen sich für den Verkehr in Tegel nutzen?

In Tegel wollen wir eine ähnliche Infrastruktur aufbauen. Das Schöne an der Urban Tech Republic ist, dass sie aus städtebaulicher Sicht eine geschlossene Ortschaft ist. Auf öffentlichen Verkehrswegen wie der Straße des 17. Juni gibt es nur beschränkte Forschungsmöglichkeiten in bestimmten Zeitfenstern. Gerade auf viel befahrenen Straßen ist das Problem, dass man nicht eine Spur nur für autonomes Fahren reservieren und das normale Fahren auf bestimmte Spuren beschränken kann. Sie müssen immer mit dem vorhandenen Verkehr zurechtkommen. In Tegel kann Berlin die Stadt der Zukunft entwickeln. Das autonome Fahren können wir dort inkrementell – also in einzelnen Schritten – auf die Straße bringen. Autonome Autos würden in der Urban Tech Republic zunächst auf einer Teststrecke fahren, auf der wir verschiedene Fähigkeiten der Fahrzeuge telemetrisch aufnehmen. Anschließend arbeiten wir daran, die Fahreigenschaften schrittweise zu verbessern.

Und wie helfen intelligente Straßen dem Verkehrssystem als Ganzem?

Auf unserer Teststrecke können Sensoren erkennen, wo es freie Parkplätze gibt und sie an Autos melden. Flächendeckend wäre das für viele Menschen in Städten bereits ein Gewinn. Wir forschen aber auch daran, Mobilität insgesamt neu zu denken. In Tegel könnten wir die gesamte Verkehrsführung intelligent gestalten. Ampelsteuerungen beispielsweise haben heute das Problem, das sie sehr rigide sind, sie laufen nach festen Mustern ab. Durch die Digitalisierung könnten Straßen die Verkehrslast messen und für bestimmte Zeiten voraussagen. Vernetzte Autos würden dann ihre Geschwindigkeit anpassen und Ampeln ihre Taktung. Gerade an großen Verkehrsaden und komplizierten Knotenpunkten würde sich der Verkehr deutlich beruhigen. Langfristig könnten wir dank der Erkenntnisse aus Berlin bis zu 30 Prozent aller Staus vermeiden. Der nächste Schritt wäre dann eine intermodale Verkehrsplanung, also die Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsträger von autonom fahrenden Shuttle-Diensten über Straßenbahnen bis zu überregionalen Zügen. Je nach aktueller Verkehrslage bekämen die Menschen Empfehlungen für die schnellste Route inklusive der passenden Anschlüsse.

Wie weit ist Berlin bei vernetzten Technologien im Vergleich zu anderen Städten?

Ich würde behaupten, wir stehen ziemlich gut da, sehr gut sogar. Vor allem beim autonomen Fahren liegen wir mit unserem komplett neuen Ansatz einer intelligenten Infrastruktur weit vorn. Inzwischen hat sogar das internationale Standardisierungskomitee für den Mobilfunk 3GPP den Ansatz verteilter intelligenter Systeme für große Städte empfohlen. In Zukunft würde es uns deshalb gut anstehen, noch stärker mit anderen Städten zu kooperieren. Wenn wir die Urban Tech Republic in Tegel haben, können wir dort eine offene Plattform etablieren, um uns mit anderen Städten auszutauschen. So werden wir sicher auch von den Erfahrungen in anderen Regionen lernen und können mit den Erkenntnissen aus Berlin interessierte Städte unterstützen.

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