Menschenmenge
© Andreas Lander

2. November 2017

Den Menschen in den Mittelpunkt stellen

Bei der Creating Urban Tech ging es in diesem Jahr nicht nur um die Technologien der Zukunft. Die 350 angereisten Technologie-Experten diskutierten auch die Frage, welche Rolle dem Menschen in der smarten Stadt der Zukunft zufällt.

Die Gastgeberin Ramona Pop brachte es gleich zu Beginn der Creating Urban Tech auf den Punkt: Technik und Wachstum seien kein Selbstzweck in der Stadtentwicklung, so die Berliner Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe in ihrer Eröffnungskeynote. Stattdessen gehe es darum, wie Innovationen ganz konkret das Leben der Menschen verbessern könnten. Als hätte Ramona Pop mit ihrem Eingangsstatement das Stichwort gegeben, konzentrierten sich in diesem Jahr auffällig viele Redner bei der Berliner Wirtschaftskonferenz in ihren Beiträgen darauf, den smarten Kern der Smart City weit über das technologisch Mögliche hinaus zu interpretieren.

Wenn es nach Jaakko Blomberg geht, dann fängt innovative Stadtentwicklung mit ein bisschen zivilem Ungehorsam an. Das Motto des Finnen lautet: „Frag nie, ob du darfst!“ Stattdessen macht Jaakko Blomberg einfach, und initiierte auf diese Weise zum Beispiel den Restaurant Day, bei dem viermal im Jahr sogenannte Ein-Tages-Restaurants die Bewohner Helsinkis auf die Straßen locken. Ebenso hat er einen Entrümpelungstag ins Leben gerufen, bei dem die Finnen sich von überflüssig gewordenem Krempel trennen und einen großen dezentralen Flohmarkt organisieren. Das Besondere: Beide Ideen waren zu Beginn quasi illegal, aber die überwältigende Resonanz der Bevölkerung brachte die Stadtverwaltung schnell dazu, sich näher mit Jaakko Blomberg zu beschäftigen und ihn schließlich sogar finanziell zu unterstützen. Denn ihm gelingt etwas, wovon viele Städte träumen: Er sorgt dafür, dass die Bewohner Helsinkis sich den öffentlichen Raum ihrer Stadt wieder zu eigen machen. Und seine Projekte kreieren nebenbei so etwas wie urbanes Flair, in dem neue Ideen entstehen können.

Die Frage, wie Städte besser werden und sich ihre Bewohner mit diesem Wandel der Stadt auch identifizieren können, stellt sich nicht nur Jaakko Blomberg in Helsinki. Für Elke Pahl-Weber, Städtebauexpertin von der Technischen Universität in Berlin, steht ein Eingeständnis am Anfang guter Stadtentwicklung: „Wir wissen nicht, wie die Smart City aussehen wird.“ Deshalb entwickelt sie Prototypen der zukünftigen Stadt und diskutiert sie mit den Menschen, die in diesen Städten einmal leben sollen. Denn, so Pahl-Weber, wenn die Menschen nicht mitgenommen würden bei der Planung ihrer Städte, dann lehnten sie die Entwicklungen hinterher meistens ab.

Philipp Bouteiller von der Tegel Projekt GmbH unterstrich diesen Ansatz mit seinem Plädoyer „to get beyond technology in city planning.“ Er schlug vor, die Bewohner der Stadt zukünftig stärker als „user“, also als Nutzer der Städte zu verstehen, um ihre Erwartungen und Wünsche besser in den Prozess der Stadtplanung integrieren zu können. Bisher sei das in Berlin aber noch schwierig, denn Berlin wisse anders als Barcelona oder Amsterdam, so Bouteiller, noch relativ wenig über seine Bürger. Dass Berlin aus internationaler Perspektive über eine vorbildliche Involvierung der Bewohner in die Stadtentwicklung verfüge, führte Philipp Rode von der London School of Economics aus. Berlin genieße einen exzellenten Ruf, was die Nutzung von Freiräumen in der Stadt durch die Bewohner angehe. Die vielen temporären Nutzungskonzepte, die es in Berlin seit den 90ern gegeben habe, seien einzigartig, so Rode. Viele Städte auf der Welt beneideten Berlin um diese Spielräume, denn sie hätten dazu beigetragen, dass Berlin heute so attraktiv für junge Menschen sei

Der rot-leuchtende Diskus macht aus Fahrrädern E-Bikes

Welche Rolle technische Innovationen für die Verbesserung der Lebensqualität in Städten spielen können, das präsentierte Assaf Biderman vom Senseable City Lab in seiner Keynote. Mit seinem Team analysierte Biderman die Bewegung der New Yorker Taxis in Manhattan – und kam zu dem Ergebnis, dass sich alleine der Taxiverkehr um über 50 Prozent reduzieren ließe. Ein Großteil der Fahrten erfolge auf den immer gleichen Strecken, nur seien die wenigsten Taxis ausgelastet. Würde die Nachfrage nach Taxis besser koordiniert, dann könnte der berüchtigte Verkehr in Manhattan deutlich entlastet werden. Noch wichtiger sei es aber, dass die Zahl der 1- und 2- Personenfahrzeuge in den Innenstädten deutlich zunähmen. Nur so ließen sich individuelle Routenwünsche und die steigende Zahl von Stadtbewohnern auf einen Nenner bringen. An einer Produktinnovation im Bereich 1-Personenfahrzeug, die in den letzten Monaten für Begeisterung sorgte, ist Biderman sogar direkt beteiligt gewesen: dem Copenhagen Wheel. Dahinter verbirgt sich ein Laufrad, in dessen Mitte ein dänisch-rot leuchtender Diskus verbaut ist. Mit dem Copenhagen Wheel lassen sich herkömmliche Fahrräder einfach in ein E-Bike umbauen und machen damit auch längere Strecken in der Stadt für Radfahrer attraktiv.

Dass sich für eine aus Sicht der Bewohner lebenswertere Stadt der Zukunft aber zunächst das grundsätzliche Denken verändern muss, erklärte Philipp Rode, an einem prägnanten Beispiel aus dem Bereich Mobilität. Bisher habe man meist erst die Fahrzeuge entwickelt und dann überlegt, wie man die Stadt am besten an deren Erfordernisse anpassen könne. In Zukunft, so Rode, sollte lieber erstmal die grundsätzliche Frage geklärt werden, wie man in Städten zusammenleben wolle – und dann sollten sich alle weiteren Planungen an diesem Konsens orientieren.

Mehr Informationen zur Creating Urban Tech 2017 finden Sie hier.

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